2009•021 - T E X T:
darüber an, welche Rolle den KardinaltuÂgenden in der Gestaltung des öffentlichen Lebens unserer Tage als Angelpunkte für Denken und Tun des Einzelnen wie der Gemeinschaft zukommen kann. Dazu eiÂnige Denkanstöße, Josef Piepers Werken (10) entlehnt.
KLUGHEIT hat unter den KardinaltugenÂden die Priorität; sie bildet die Grundlage auch der drei weiteren. Klugheit im weiÂtesten Sinne gemeint ist nicht bloße IntelliÂgenz, Raffinesse, Schlauheit, VerschlagenÂheit. Vielmehr sind die aus dem gesunden Menschenverstand erwachsende rechte Verfassung der praktischen Vernunft, AnÂgemessenheit, Weisheit, Besonnenheit gemeint. Was Klugheit, so verstanden, für den Einzelnen und die unterschiedlich strukturierten Gemeinschaften in ihrem Bemühen um die Mitgestaltung des öfÂfentlichen Lebens bedeutet und bewirken kann, ist aus diesen Definitionen problem los abzuleiten.
GERECHTIGKEIT verwirklichen meint, angemessenes Verhalten mit dem Ziel, Sinn und Funktion der gesamten SchöpÂfung gerecht zu werden. Viele Dinge, die uns heute bewegen, haben eine unmittelÂbare Zuordnung zur Gerechtigkeit. Das gilt für viele Streitbegriffe unserer Tage, auch für die, mit denen sich StadtgemeinÂschaften auseinandersetzen. Einem Jeden sein Recht zuerkennen, Zustehendes geÂben, dem Einzelnen seinen ihm zukomÂmenden Anteil am Gemeinwohl verfügbar machen, Chancengerechtigkeit erstreben, ein unbedrohtes Miteinander garantieren. Bildung, Kultur, Sozialverhalten, StadtgeÂstaltung, fairer Wettbewerb der Wirtschaft, angemessene Lohn- und Preisgestaltung, das und vieles mehr sind breit gefächerte Aufgabenfelder, die sich ohne GerechtigÂkeit, allerdings nicht ausschließlich durch sie allein, nicht ordnen lassen.
TAPFERKEIT wird dadurch zur Tugend, dass sie von der Klugheit geleitet wird. Sie ausschließlich als Tugend der Krieger zu deklarieren, ist grundfalsch. Ebenso ist sie nicht Charakteristikum für Draufgängerei. Es ist eher das gemeint, was wir ZivilÂcourage nennen. Mut, sich einzumischen, wenn es gefordert ist, nicht zu schweigen, wenn man reden müsste, das sind VerhalÂtensweisen des Tapferen. Der offene, durch keinerlei Fanatismus verstellte Blick in eine Stadtöffentlichkeit lässt Beispiele da für erkennen, dass Tapferkeit im geringen wie im hohem Maß unser bürgerschaftliÂches Zusammenleben mitträgt. Tapferkeit, die sich nicht hindern lässt, auch gegen alle Widrigkeiten das Gute zu tun, zeigt sich im Standhalten, nicht im Angriff und nicht im bequemen Nachgeben. Sie setzt Geduld voraus. Tapferkeit ist unmöglich, wenn man nicht auf das Gute hofft, auch auf das gute Ende in einer wie auch immer prekären Situation.
MÄSSIGUNG - oder Zucht und Maß - ist wie die Tapferkeit primär eine Aufgabe des Individuums. "Zucht heißt, in sich selÂber Ordnung verwirklichen", definiert JoÂsef Pieper; und er fasst ferner klar und trefÂfend zusammen: "Zucht besagt, dass der Mensch sich selbst und seinen Zustand ins Auge fasse, dass er Blick und Willen richÂtet auf sich selbst." (11) Damit ist nicht Selbstsucht gemeint, vielmehr Selbstzucht in der Form der Selbstbewahrung, die wieÂderum auch den Blick auf den Anderen nicht verstellt oder trübt. Sie ermöglicht, die Wirklichkeit zu gewahren und den unÂverstellten Blick für die Belange des Gemeinwesens
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