2016•048 - T E X T: Grußwort von Goldabiturient Prof. Dr. S. G. Schoppe (vom 25. Februar 1965), Universität Hamburg Mit diesem Sommersemester 2015 verlassen Sie, sehr geehrte AbiturientInnen, in großer Anzahl erfolgreich das Gymnasium Dionysianum, weil Sie gefordert und gefördert wurden - in den Geistes- und den Naturwissenschaften einschließlich der Mathematik. Dazu darf ich Ihnen, Ihren Eltern und Ihren LehrerInnen von Herzen gratulieren. Das Häuflein erfolgreicher Abiturienten, das nach dem Wintersemester 1964/5 das Humanistische Gymnasium verließ, umfasste im Altsprachlichen Zweig, zu dem ich gehörte, nur 9 und im Neusprachlichen Zweig 3 junge Männer - wohlgemerkt aus zwei ursprünglich vollen Klassen von Sextanern. Die meisten Schüler hatten also zwischenzeitlich mit dem „Quarta-Abitur“ abgeschlossen, weil unsere (Ober-)Studienräte ihren Auftrag darin sahen, höchst selektiv nur eine Elite nach ihren damaligen Kriterien zur Hochschulreife zu führen. Den anderen fehlte es nicht an Intelligenz und Fleiß, sondern in unserer Klasse an der Motivation, sich der alten Sprachen Latein und Griechisch zu bemächtigen. (Die „Abgegangenen“ hatten dann als Fahrschüler zum Teil auch viel bessere Noten in den neu gegründeten Gymnasien von Ibbenbüren). Von Ihrem Schulleiter Herrn Meer habe ich soeben gehört, dass das Gymnasium Dionysianum gerade in den mathematischen Fächern sehr gut dasteht. Die Mathematik hat sich als Lingua Franca durchgesetzt: Das ist eine sehr wichtige Voraussetzung für Ihr anschließendes Hochschulstudium sowie Ihr Berufsleben, in welche Richtung Sie auch gehen mögen. Es ist bewährte Übung, in einem Festvortrag mit einem Klassiker zu beginnen; ich habe mich für Goethe entschieden, der Faust „in einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer, unruhig auf einem Sessel am Pulte“ klagen lässt: „Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heißem Bemühn! Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor; heiße Magister, heiße Doktor gar und ziehe schon an die zehen Jahr herauf, herab und quer und krumm meine Schüler an der Nase herum - und sehe, dass wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen.“ Von Mathematik und Naturwissenschaften ist im Faust keine Rede, nur von dem damals als entscheidend angesehenen Kanon des Wissens und Glaubens, nicht von quantitativer Forschung und Lehre. So reimte der Physiologe Albrecht von Haller 1732 frustriert in seinem „Versuch schweizerischer Geschichten“: „Ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist. Glückselig, wenn sie nur Die äußre Schale weist.“ Goethe selbst hatte mit seinen naturwissenschaftlichen Bemühungen in Weimar und Jena nur begrenzten Erfolg und erlag mancherlei Irrungen, die von dem genialen Physiker und Mathematiker Lichtenberg aus Göttingen bis 1799 mit spöttischen Aphorismen bedacht wurden.
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