Mancher Pennäler des
Gymnasium Dionysianum in Rheine schrieb einst seine Griechischarbeit
„mit Mut zur Lücke“. Der eine oder andere ehemalige Schüler erinnert
sich noch an diesen Kommentar des Lehrers Fritz Kock, wenn dieser die
Arbeiten zurückgab und gerade noch mit „Ausreichend“ bewertet hatte.
Solcherart persönliche Schilderungen enthält auch die Festschrift, die
der Verein Alter Dionysianer (VAD) anlässlich seines 75-jährigen
Bestehens als Band 3 seiner Schriftenreihe herausgegeben hat. Doch das
Buch ist kein „Familienalbum“, das ausschließlich private
Erinnerungen seiner Mitglieder an ihre Schulzeit und Schnappschüsse von
geselligen Zusammenkünften versammelt. „Alte Dionysianer erinnern
sich“ nur auf rund einem Fünftel der 184 Seiten der Festschrift, die
weit mehr zu bieten hat.
Unter anderem skizziert
Ludger Meier schlaglichtartig die Entwicklung des VAD. Dies geschieht zum
Teil anhand historischer Textdokumente. Eine präzise Vereinschronik ist
das nicht, diesen Anspruch vertritt der Herausgeber aber auch nicht, denn
die Festschrift wurde „nicht als systematisch-historische Abhandlung
konzipiert“. Mit anderen Worten: Wie die einstigen Schüler der
Griechischklasse beweist der VAD in guter Tradition selbst Mut zur Lücke.
Dennoch ist das Ergebnis gelungen und bietet allen Interessierten –
auch Nicht-Dionysianern – aufschlussreiche Einblicke in die allgemeine
Funktion eines Ehemaligenvereins und seine Bedeutung für die Schule und
die Stadt.
So macht sich Peter
Rohlmann Gedanken zum Status quo und den Perspektiven des Vereins und
beschreibt das Mitgliederwesen anhand statistischer Auswertungen.
Stadtarchivar Thomas Gießmann legt als Gastautor die Rolle des VAD in der
Rheiner Schul- und Stadtgeschichte dar und der ehemalige Schuldirektor
Heinrich Krefeld schildert den Versuch Wilhelm Hilgenbergs, nach dem
Zweiten Weltkrieg am Dionysianum eine christlich-europäische
Bildungskonzeption zu begründen.
Ein besonderer Gewinn für
den Leser ist die Darstellung einzelner Geschenke, die der VAD zu
besonderen Anlässen der Schule gemacht hat. Durch diese werden einige
Aktivitäten und Leistungen des ansonsten nur für Abiturienten und Lehrer
des Dionysianums zugänglichen Vereins auch für Außenstehende sicht-
und fassbar.
Sowohl der
kunsthistorische Sachverstand, mit dem Irmgard Sabelus drei
Original-Grafiken mit mythologischen Motiven von Gerhard Marcks
beschreibt, als auch der Abdruck dieser Bilder sowie die farbige
Wiedergabe eines Aquarells und von zwei Kreidezeichnungen verdeutlichen
die inhaltliche Qualität und das Niveau, auf dem sich dieses Buch insgesamt bewegt.
Darüber hinaus erfährt
man auch einiges über die Absichten und Wünsche des Schenkenden, der in
erheblichem Maße die Bildfenster der Aula mitfinanzierte, die 1952
eingesetzt wurden, oder 1959 zum 300-jährigen Jubiläum der Schule die
Plastik „Sebastian“ des Bildhauers G. Marcks übergab, ferner die
Renovierung der Aula-Orgel (1977) ermöglichte, einen Sternengarten
errichtete (1997) und zum diesjährigen Jubiläum eine historisierende
Schuluhr mit modernem Uhrwerk im Giebel auf der Straßenseite des Altbaus
einfügen lässt.
Nicht weniger
interessant sind die Einsicht in die Beschlüsse der Schulkonferenz von
1990 zur Umsetzung des 1934 errichteten Langemarck-Denkmals, das 1989/90
heftige Auseinandersetzungen unter Schülern, Lehrern, Eltern und Rheiner
Bürgern hervorgerufen hatte, und die Diskussionen um Formen und Inhalte
humanistischer Bildung, die die 1970 übergebene Gedenktafel für die im
Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommenen Dionysianer entfachte.
Alles in allem gebührt
dem Redaktionsleiter der Festschrift Ludger Meier Anerkennung für die mühevolle
Sammlung und die thematische Zusammenstellung der einzelnen Beiträge zu
einem facettenreichen Dokument der Geschichte des Vereins, das abgerundet
wird von historischen Postkarten, auf denen die verschiedenen Schulgebäude
seit Ende des 19. Jahrhunderts abgebildet sind, und von alten Abiturkarten
aus den Jahren 1900 bis 1950, deren Motive und Stile den jeweiligen
Zeitgeist und Geschmack ihrer Entstehungsjahre selbstredend widerspiegeln.
Nicola
von Amsberg
„75
Jahre Verein Alter Dionysianer“, hrsg. vom Verein Alter Dionysianer,
Rheine, Berlin
(News & Media) 2002, 184 Seiten, 84 z.T. farbige
Abbildungen, 5 Tabellen,
ISBN 3-9806460-9-2, 14,95 EUR
Die
Festschrift ist erhältlich im örtlichen Buchhandel oder kann im
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